Reformatorengemälde

Das Reformatorengemälde der Sankt Petri Kirche

Das Reformatorengemälde der Sankt Petri Kirche (Foto: C. Rhindorf)

Das Reformatorengemälde in der St.-Petri-Kirche zeigt 16 Theologen um einen Tisch versammelt, auf dem das helle Licht des Evangeliums brennt. Dieses Motiv war im 17. Jahrhundert – vor allem in den Niederlanden – in Holzschnitten, Kupferstichen und Gemälden weit verbreitet, wobei sowohl die dargestellten Theologen als auch die Vordergrundsgestalten von Fassung zu Fassung variieren konnten. Das Kopenhagener Bild geht auf einen Kupferstich zurück. Deshalb ist auch die Beschriftung niederländisch. Quer über den Tisch ist „’t Licht is op den kandelaer gestelt“ (‘das Licht ist auf den Kerzenständer gestellt’) geschrieben. Unter diesem Titel ist das Motiv in den Niederlanden bekannt. Der Kerzenständer ruht auf einem Buch mit dem Namen „Euangelio“. Das ist weder niederländisch noch deutsch, sondern eine lateinische Dativ- bzw. Ablativform von evangelium, die im Sprachgebrauch sicherlich häufiger vorkam als der Nominativ („es steht im Evangelio …“).

Ein Kupferstich als Vorlage

Die Buchstaben A bis Q neben den Personen werden unten auf dem Kupferstich in Versen erklärt. Die Buchstabenfolge ist grob chronologisch, nicht aber die Sitzordnung. Bei der Restaurierung des Gemäldes im Jahr 2012 wurden Hinweise darauf gefunden, daß die Erklärungen des Kupferstichs ursprünglich auch auf dem Kopenhagener Bild gestanden haben können, das wahrscheinlich um 1700 gemalt wurde. Später wurde der biographische Teil dann übermalt und durch die lapidare Mitteilung „D: Martin Luther Mit Seinen Wenigen Vorgängern und Vielen Nachfolgern. Zur Erläuterung, der ReformationsGeschichte“ ersetzt. Das war natürlich passend für eine lutherische Kirche, allerdings auch etwas dreist, wenn man die Geschichte des Motivs bedenkt. Es stammt aus England und den Niederlanden und zeigt vor allem reformierte Theologen.

Dargestellt sind:

Sitzend von links: Martin Bucer (Buchstabe G, 1491–1551, Straßburgs Reformator), Johann Hus (B, ca. 1370 – 1415, Kirchenkritiker), Philipp Melanchthon (I, 1497–1560, Luthers Professorenkollege in Wittenberg), Hieronymus von Prag (C, nach 1370 – 1416, Kirchenkritiker), Martin Luther (E, 1483–1546), Johannes Calvin (H, 1509–1564, Genfs Reformator), Theodor v. Beza (P, 1519–1605, Calvins Nachfolger in Genf) und John Wyclif (A, ca. 1330 – 1384, Kirchenkritiker).

Stehend von links: Heinrich Bullinger (N, 1504–1575, Nachfolger Zwinglis in Zürich), Petrus Martyr Vermigli (K, 1499–1562, Theologieprofessor italienischer Herkunft in Straßburg, Oxford und Zürich), John Knox (L, 1514(?)–1572, Schottlands Reformator), Ulrich Zwingli (D, 1484–1531, Zürichs Reformator), Hieronymus Zanchi (O, 1516–1590, Theologieprofessor italienischer Herkunft in Straßburg und Heidelberg), William Perkins (Q, 1558–1602, Theologe des Puritanismus), Matthias Flacius (M, 1520–1575, lutherischer Theologe aus Istrien, Begründer der protestantischen Kirchengeschichtsschreibung) und Johannes Oekolampad (F, 1482–1531, Basels Reformator).

In den Medaillons von links: Georg III., der Gottselige, Fürst von Anhalt (1507–1553), Johannes Laski (1499–1560, reformierter Theologe polnischer Herkunft in Ostfriesland und London), Guillaume Farel (1489–1565, reformierter Theologe in der französischsprachigen Schweiz), Johannes Sleidanus (1506–1566, Historiker der Reformation), Philipp Marnix (1540–1598, reformierter Politiker und Schriftsteller) und Franciscus Junius (1545–1602, Theologieprofessor in Heidelberg und Leiden).

Wie aus den Lebensdaten hervorgeht, können die 16 Reformatoren und Vorreformatoren sich nie in dieser Form getroffen haben, weil nicht alle gleichzeitig lebten. Für das 17. Jahrhundert ist die Auswahl der Theologen recht ökumenisch, denn sie vertraten teilweise sehr unterschiedliche konfessionelle Positionen. Die katholische Kirche wurde dagegen zu den Feinden des Evangeliums gezählt. Im Vordergrund versuchen ein Kardinal, ein Teufel, ein Papst und ein Mönch vergeblich, das helle Licht des Evangeliums auszupusten. Die Luftströme, die sie gegen die Kerze richten, sind auf dem Kupferstich gut sichtbar mit „Verkeerde Geleertheit“ (‘verkehrte Gelehrsamkeit’), „Leugengeest“ (‘Lügengeist’), „Valsche Succeßi“ (‘falsche Sukzession’ – bezieht sich auf die Päpste als Nachfolger Petris) und „Schynheilicheit“ (‘Scheinheiligkeit’) beschriftet.

Daß manche Theologen etwas desinteressiert wegblicken, hat einen einfachen Grund. Der Künstler setzte die Szene aus vorhandenen Porträts zusammen, wobei ihm von einigen Personen nur Darstellungen im Profil zur Verfügung standen. Der Maler des Kopenhagener Bildes ist nicht bekannt.

Jürgen Beyer