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Dänemark erwägt Predigtkontrollen - Kirchen der deutschen Minderheit fürchten Kollateralschäden

Von Michael Hollenbach

Dänemark erwägt PredigtkontrollenKirchen der deutschen Minderheit fürchten Kollateralschäden

Die sozialdemokratische Regierung in Dänemark fährt einen harten Kurs gegen den Islamismus. So sollen alle Predigten demnächst vorab den Behörden auf Dänisch vorgelegt werden. Dieser Vorstoß zielt auf islamistische Hassprediger, doch auch die deutschsprachigen Gemeinden wären davon betroffen.

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Die Pastorin der deutschen St. Petri-Kirche in Kopenhagen Rajah Scheepers (www.imago-images.de / Keld Navntoft)
Nach dem Gesetzentwurf müssten auch die deutschen Auslandsgemeinden ihre deutschen Predigten übersetzt einreichen. Pastorin Rajah Scheepers sieht darin einen Affront gegen die deutsch-dänische Freundschaft (www.imago-images.de / Keld Navntoft)

„Wir werden als deutsche Minderheit unter Generalverdacht gestellt,“ empört sich Matthias Alpen, Pastor der deutschen Nordkirche im süddänischen Lügumkloster. Mittlerweile ist zwar das generelle Predigtverbot in einer nicht-dänischen Sprache offenbar vom Tisch; jüngste Überlegung der Regierung: alle Predigten in ausländischer Sprache sollen schriftlich ins Dänische übersetzt und einer staatlichen Behörde zugesandt werden.

„Der Tenor dieses Gesetzesvorschlages widerspricht aller politischen Erklärung und gelebter Zusammenarbeit im deutsch-dänischen Grenzland. Es ist geradezu grotesk, dass so ein Vorschlag von Übersetzungen von deutschen Predigten gemacht worden ist,“ so Alpen.

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Das sieht Rajah Scheepers ganz ähnlich. Scheepers, die aus Berlin stammt, ist Pastorin der deutschen St. Petri-Kirche in Kopenhagen."Wir haben insgesamt 1000 Mitglieder und sind nach Schweden, nach Stockholm, die zweitälteste deutsche Auslandsgemeinde und seit jeher auch sehr eng mit dem dänischen Königshaus verbunden, da viele Mitglieder des dänischen Königshauses in den letzten 446 Jahren auch Mitglieder unserer Gemeinde gewesen sind.“

Predigten unterliegen Gleichheitsgrundsatz

Einerseits kann die deutsche Pastorin nachvollziehen, dass die dänische Regierung gegen islamistische Demokratieverächter vorgehen will. „Das ist ja als Bürger oder Bürgerin auch verständlich, dass ein Staat keine Hasspredigen möchte. Nur die Frage ist natürlich, die die Politiker dann beantworten müssen, ob das jetzt die richtige Methode wäre, um dieses Ziel zu erreichen.“ Das Problem für die Regierung: Wegen des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes kann sie nicht beispielsweise arabische Predigten von Imamen generell verbieten, und zugleich von christlichen Geistlichen zulassen.

An der deutschen Schule St. Petri in Kopenhagen hängt die deutsche und die dänische Flagge (imago sportfotodienst)Deutsche Auslandsgemeinde in Kopenhagen: Kirche und deutsche Schule St. Petri (imago sportfotodienst)

Doch bleibt die Regierung bei ihrem Vorhaben, wäre der Kollateralschaden immens: „Allein hier in Kopenhagen gibt es 150 christliche Gemeinden, wo in anderen Sprachen gepredigt wird. Und zu Dänemark gehören bekanntermaßen auch Grönland und die Färöer-Inseln. Wenn man auch da nicht mehr auf Grönländisch oder in der Sprache der Färöer-Inseln predigen dürfte, das wäre doch alles sehr ungewöhnlich.“

Deutsch-dänische Freundschaft in Gefahr?

Für Rajah Scheepers bedeutet das Ansinnen der Regierung auch einen Affront gegen die deutsch-dänische Freundschaft: „Letztes Jahr, da wurde das deutsch-dänische Freundschaftsjahr gefeiert, in dem man 100 Jahre Grenzziehung gefeiert hat. Und damals vor 100 Jahren ist den Minderheiten jeweils zugesagt worden, dass sie selbstverständlich weiterhin Gottesdienste in ihrer Sprache besuchen können, dass sie weiterhin Schulen in ihrer Sprache besuchen dürfen und so weiter. Und darum gibt es in Nord-Schleswig sehr viele deutschsprachige Institutionen und in Süd-Schleswig, also im Norden von Schleswig-Holstein, sehr viele dänischsprachige Institution wie Schulen, Gemeinden usw.“

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Die Bonn-Kopenhagener-Erklärungen von 1955 haben diese Rechte der jeweiligen Minderheiten in den beiden Ländern bestätigt. Auch gegen diese Erklärung würde das Vorgehen der Regierung wohl verstoßen.

Dorothea Lindow, Pastorin im dänischen Tondern, das direkt an der Grenze zu Deutschland liegt, macht auch eine wachsende Distanz zwischen der dänischen Politik und den Religionsgemeinschaften für den Regierungsentwurf verantwortlich. In Ministerien und Parlamenten würde die religiöse Sprache gar nicht mehr verstanden: „Ich finde, dass das Christentum etwas Grenzensprengendes hat oder was Grenzenüberschreitendes. Diese religiöse Dimension wird nicht verstanden, sondern es ist eine juristische Dimension, die mit der religiösen Dimension nicht zusammengeht.“ 

Gefahr von Selbstzensur

Noch ist vollkommen unklar, wie so ein Gesetz umgesetzt werden könnte. Manche Moscheegemeinde hätte gar nicht die Kapazität, jede Predigt ins Dänische zu übersetzen, klagt die Islamische Gemeinschaft in Dänemark. Das käme dann einem Predigtverbot gleich. Dorothea Lindow sieht noch eine andere Gefahr:

„Wir haben in der Kirche so ein prophetisches Amt, und die Propheten im Alten Testament sind ja die, die manchmal richtig auf den Putz hauen, und der Regierung auch was sagen, und ich sehe so ein bisschen die Gefahr, dass man in so einen vorauseilenden Gehorsam reinrutscht; dass man denkt, naja, das muss ja hinterher übersetzt werden, dann muss es ja auch jemand kontrollieren und jemand lesen. Und vielleicht auch überprüfen, ob es übereinstimmt mit dem, was in der Kirche gesagt wurde. Manchmal sagt man ja auch was anderes, als man vorher formuliert hat, und dass man davon von vornherein irgendwo hineinrutscht, dass man sich selber beschränkt aus Angst, aus der Befürchtung heraus, dass es hinterher kontrolliert wird und nicht okay ist.“ 

Noch hält sich die dänische Regierung bedeckt, ob sie nun mit einem konkreten Gesetz gegen die islamistischen und damit möglicherweise gegen alle Predigerinnen und Prediger vorgehen will. Doch die Absicht der Regierung, nicht-dänische Predigten zu kontrollieren, hängt wie ein Damoklesschwert auch über den deutschsprachigen Gemeinden in Dänemark.