Weiteres zu Struensee

Johann Friedrich Struensee (1737-1772)

Die Geschichte des deutschen Arztes, Aufklärers und politischen Reformers Johann Friedrich Struensee, der ab September 1770 bis zu seiner Verhaftung am 17. Januar 1772 Dänemark praktisch alleine regierte, interessiert und fasziniert bis heute.

Johann Friedrich Struensee wurde 1737 als Sohn des Pastors Adam Struensee im Umkreis der vom Pietismus geprägten Franckeschen Stiftungen in Halle geboren. Zu dieser Zeit war sein Großvater mütterlicherseits, der angesehene Arzt und radikale Pietist Dr. Johann Samuel Carl (1676-1757), bereits Leibarzt des dänischen Königs Christian VI. (1699-1746) und der Königin Sophie Magdalene (1700-1770). Diese standen beide in lebhafter Verbindung mit den pietistischen Kreisen in Deutschland. Johann Samuel Carl spielte 1740 eine wichtige Rolle bei der Reform des dänischen Medizinalwesens mit der Gründung des Collegium Medicum, eines Vorläufers der heutigen obersten dänischen Gesundheitsbehörde (Sundhedsstyrelsen). 1742 musste Christian VI. ihn jedoch, obgleich er ihn als Arzt schätzte, wegen seiner radikalpietistischen Kirchen- und reformeifrigen Gesellschaftskritik des Landes verweisen, allerdings mit einer ansehnlichen Pension. Dieser Großvater hielt sich nun eine Zeit lang im Haus seines Schwiegersohns Pastor Adam Struensee in Halle auf. Es wäre merkwürdig, wenn diese Kopenhagener Zeit seines Großvaters für den dort aufwachsenden aufgeweckten und frühreifen Enkel Johann Friedrich keine Rolle gespielt hätte. Andererseits lebte am Hof in Kopenhagen bis 1770 noch die ehemalige Patientin Dr. Johann Samuel Carls, die Königinwitwe Sophie Magdalene, die über die Herkunft des Leibarztes ihres Enkels, König Christian VII., auch nicht im Unklaren gewesen sein kann.

Von 1743 bis 1752 besuchte Struensee die Schulen der Franckeschen Stiftungen. Bis 1757 studierte er an der medizinischen Fakultät der Universität Halle, die als eine der Besten in der damaligen Zeit galt. Sie repräsentierte die Gegenwelt zur Welt des Pietismus, nämlich den Geist der Aufklärung und der rationalen Wissenschaft, von der Struensee ganz und gar geprägt wurde. Seine Dissertation widmete er seinem Großvater Johann Samuel Carl.

Erst zwanzigjährig wurde Johann Friedrich Struensee 1757 zum Stadtphysikus von Altona sowie zum Landphysikus von Pinneberg und der Grafschaft Rantzau ernannt: Dies geschah schon nach einer allerhöchsten Empfehlung des dänischen Außenministers Johann Hartwig Ernst Bernstorff (1712-1772). Bernstorff wollte damit seinem Vater Adam Struensee, der als Probst nach Altona berufen worden war, eine Freude bereiten. Mit jugendlichem Elan, einer medizinischen Ausbildung auf der Höhe der Zeit und der Unbefangenheit eines an den Kategorien aufklärerischen Denkens Geschulten, erkannte er bald – schon mit dem Blick eines Sozialmediziners -, dass das große Wirkungsfeld eines Amtsarztes neben der Auseinandersetzung mit Vorurteilen, Aberglauben und daraus folgenden falschen Behandlungsmethoden, immer auch Fragen der richtigen Organisation der Gesellschaft berührte. Seine vielversprechenden Versuche, mit der Zeitschrift „Zum Nutzen und Vergnügen“ für seine Reformideen unterhaltsam auch publizistisch zu wirken, scheiterten bald an der Zensur.

Der Hof in Kopenhagen war mehrfach auf ihn aufmerksam geworden und ernannte ihn 1768 zum Reisearzt für den schon damals von Schüben einer Geisteskrankheit befallenen König Christian VII. auf seiner Bildungsreise durch Europa nach England und Frankreich. Auf dieser Reise zeigte Struensee, dass er die krisenanfällige Persönlichkeit König Christians VII. richtig zu nehmen wusste. Er gewann in dem Grade dessen Vertrauen, dass dieser ihn für sich, seinen Sohn Kronprinz Frederik und die Königin Caroline Mathilde zum Leibarzt und bald auch zum Berater in Regierungssachen machte.

Dänemark wurde nach einer geschriebenen absolutistischen Verfassung (Kongeloven/das Königsgesetz) regiert. Danach gingen die gesetzgebende und die ausübende Gewalt allein vom König und seiner Unterschrift aus. Und Christian VII. sowie auch der Königin Caroline Mathilde gefielen die Reformvorschläge Struensees so gut, dass dieser ab September 1770 bis zu seiner Verhaftung in der Nacht zum 17. Januar 1772 die Möglichkeit bekam, sie in über 1800 Gesetzen und Verordnungen auf den Weg zu bringen, als Erstes die Verkündigung der Pressefreiheit. In ihrer Gesamtheit liefen diese Reformen darauf hinaus, im Sinne der Ideen der Aufklärung eine effektive Staatsverwaltung zu schaffen, in deren Rahmen sich eine aufgeklärte bürgerliche Gesellschaft entwickeln sollte, in der Wohlstand, Ordnung, Gleichheit der Chancen und nach außen Frieden herrschte. Ein idealistischer Aufklärer durfte den dänischen Staat regieren und reformieren!

Aber die dänische Gesellschaft war 1770-1772 nicht reif für so radikale Umwälzungen, die in die gewohnten Lebensverhältnisse vieler Menschen eingriffen. So konnte Struensee von seinen Gegnern mithilfe einer dem geisteskranken König abgelisteten Unterschrift leicht gestürzt werden. Auch hatte er es abgelehnt, die Macht, über die er verfügte, zu seinem eigenen Schutz einzusetzen. Das Todesurteil wegen „Majestätsbeleidigung“ wurde mit dem von König Christian VII. geduldeten Liebesverhältnis Struensees mit der Königin Caroline Mathilde begründet. Die öffentliche Hinrichtung Struensees und seines mitangeklagten Freundes Enevold Brandt war ein ungewöhnlich brutales Schauspiel für eine am Ende vor Grauen schweigsam gewordene Menschenmenge.

Königin Caroline Mathilde wurde von Christian VII. geschieden und von ihrem Bruder, König Georg III. von England, nach Celle gebracht, wo sie schon 1775 starb. Ihre am 7. Juli 1771 geborene Tochter Louise Augusta (1771-1843) galt von Anfang an als leibliche Tochter Struensees. Sie wurde aber vom dänischen Hof als legitime Tochter Christians VII. angesehen und mit dem Herzog Friedrich Christian von Augustenburg verheiratet. Ihre Tochter Caroline Amalie wurde die zweite Frau des späteren dänischen Königs Christian VIII. (1786-1848). Über die Familie des ältesten Sohnes von Louise Augusta, des Herzogs Christian August von Augustenburg, wurde Louise Augusta durch ihre Urenkelin, die Kaiserin Auguste Viktoria (1858-1921), Frau des deutschen Kaisers Wilhelm II. (1859-1941), Stammmutter der heute lebenden Nachkommen der letzten deutschen Kaiserfamilie.

Die deutsche Sankt-Petri-Gemeinde in Kopenhagen ist in mehrfacher Weise in diese Geschichte mit einbezogen, denn viele ihrer Mitglieder zählten zu den einflussreichen Persönlichkeiten in Regierung, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur, die teils mit Struensee zusammenarbeiteten, teils zu seinen Gegnern gehörten. Von den mindestens zwanzig Namen, die man nennen könnte, gehörten vier zu den Mitgliedern der nach der Verhaftung Struensees eingesetzten Untersuchungskommission.

Der bei Ålborg geborene Henrik Stampe (1713-1789), dessen Sarkophag neben dem seiner Frau in der 6. Grabkammer in den Sankt-Petri-Grabkapellen steht, war der zu damaliger Zeit höchste dänische Jurist. Als „Generalprokurør“, eine Art Generalstaatsanwalt, hatte er darauf zu achten, dass überall die Forderungen des Staates erfüllt wurden und dass nichts geschah, was die Souveränität und Hoheit des Königs beschädigen konnte. Er hatte wie Struensee in Halle studiert und war wie er stark geprägt von der deutschen und französischen Aufklärung und mit vielem einverstanden, was dieser durchführen wollte, wie zum Beispiel Trennung von Justiz und Verwaltung sowie Verbesserung der Situation der Bauern. Kraft seines hohen Amtes hatte er jedoch eine wichtige Rolle in der Untersuchungskommission zu übernehmen. Er gilt als der Verfasser des Todesurteils gegen Johann Friedrich Struensee wegen Majestätsbeleidigung.

Im Grabkeller unter der 9. Grabkammer mit dem Sarkophag von Sir Walter Titley ist der Kammerdiener und Leibchirurg Christians VII., Johann Friedrich Brieghel (1732-1802), beigesetzt, der die Verschworenen in der Nacht zum 17. Januar 1772 in das Schlafzimmer des geisteskranken Königs führte, um von ihm die entscheidende Unterschrift unter den Befehl zur Verhaftung Struensees zu bekommen.

Im Grabkeller 43 ruht Johann Peter Boye Junge (1735-1807), Zimmermeister, Oberst und Chef der Kopenhagener Feuerwehr, der das Holzgerüst für die öffentliche Hinrichtung Struensees und Brandts gebaut hatte.

Zu den Mitarbeitern Struensees zählte der in Ansbach geborene Arzt, Wirtschaftswissenschaftler und Botaniker Georg Christian Oeder (1728-1791), der von 1761 bis 1771 das berühmte Werk Flora Danica mit den schönen Kupferstichen der dänischen Flora begründete. 1769 hatte er anonym eine Schrift mit dem Titel „Wie dem Bauernstande Freiheit und Eigentum … verschafft werden könne“ herausgegeben. Struensee berief ihn deshalb in die Kommission zur Verbesserung der Situation der Bauern und in das Finanzkollegium, dem Oeder einen durchgerechneten Plan für die Einführung einer Witwenrente vorlegte.

Ein wichtiger Mitarbeiter Struensees war auch der in Deutschland aufgewachsene Arzt Dr. Christian Johann Berger (1724-1789), Professor für Medizin und Geburtshilfe, Leibarzt der Königsfamilie und Verfasser fast aller Medizinalreformen Struensees. Dr. Berger wurde 1771 von Struensee auch zum Mitdirektor der im Folgenden genannten Allgemeinen Pflege-Anstalt ernannt.

Bei diesem Reformprojekt war der zweite Pastor an der Sankt-Petri-Kirche, Friedrich Gabriel Resewitz (1729-1806), einer der besten Helfer Struensees. Resewitz kam aus dem Umkreis der „Berliner Aufklärung“. Er hatte wie Struensee in Halle studiert. Als Geistlicher war er Anhänger des theologischen Rationalismus. Mit einer Schrift „Über die Versorgung der Armen“ von 1769 hatte er das Interesse Struensees geweckt, der ihn 1771 zum Direktor der neu zu gründenden Allgemeinen Pflege-Anstalt ernannte. Diese sollte das Kopenhagener Armenwesen neu ordnen und aus dem bisherigen Kgl. Waisen- und Erziehungshaus eine Realschule machen, in der die vielen verwahrlosten Kopenhagener Straßenkinder gratis eine gute Schulausbildung bekommen sollten, damit sie zu nützlichen Gliedern der bürgerlichen Gesellschaft werden konnten. Kinder aus Bürgerfamilien sollten gegen Bezahlung auch aufgenommen werden. Das Projekt ähnelte den Waisenhausschulen der Franckeschen Stiftungen in Halle, die Struensee selbst besucht hatte. Dem Armenwesen sollte gleichzeitig dadurch geholfen werden, dass die Waisenkinder nicht länger in Waisen- und Arbeitshäusern kaserniert, sondern gegen Bezahlung in bedürftige Familien gegeben werden sollten, von wo aus sie die Realschule besuchen konnten.
Das Projekt der Umwandlung des Waisenhauses in eine Realschule wurde nach dem Sturz Struensees gestoppt. Als am Abend nach dessen Verhaftung eine erregte Menschenmenge durch die Straßen zog und die Fenster in den Häusern mit Kerzen illuminiert waren, blieb es bei Pastor Resewitz an der Ecke Nørregade/Skt. Pedersstræde zunächst dunkel. Ihm war nicht nach Freude zumute, und er zeigte es, bis die Menge so drohend wurde, dass die ersten Steine flogen. Am Sonntag danach fiel er als einziger der Kopenhagener Pastoren dadurch auf, dass er in seiner Predigt das Geschehene mit keinem Wort erwähnte, während alle anderen ihre Freude und ihren Dank für die „Rettung“ der alten Ordnung zum Ausdruck gebracht hatten. In der Folgezeit bekam er zu spüren, dass er nicht mehr das alte gute Verhältnis zur Gemeinde und zu den maßgebenden Kreisen der Stadt besaß. 1773 veröffentlichte er in Kopenhagen noch seine Vorstellungen von der von ihm konzipierten Realschule in dem Buch „Die Erziehung des Bürgers zum Gebrauch des gesunden Verstandes und zur gemeinnützigen Geschäftigkeit“, dessen Titel so deutlich den aufklärerischen Ansatz verrät. Es erschien auch in dänischer Sprache. In Deutschland wurde dieses Buch als epochemachende refompädagogische Schrift weithin begrüßt. Der preußische König Friedrich II. wurde darauf aufmerksam gemacht, und Resewitz wurde ab 1775 Generalsuperintendant  des Herzogtums Magdeburg und Leiter der damals berühmten Erziehungsanstalt „Kloster Berge“. In der Geschichte des deutschen Schulwesens gilt Friedrich Gabriel Resewitz als ein wichtiger Förderer des Realschulgedankens.

Sein Amtsbruder an der Sankt-Petri-Kirche, Hauptpastor Balthasar Münter (1735-1793), gehörte zu den entschiedenen Gegnern Struensees. Er wurde in die Planung des Umsturzes mit einbezogen und reagierte in seiner Predigt mit starken Dankesworten an Gott und die Verschworenen. Er wurde zum Beichtvater des gefangenen Struensee ernannt und lieferte mit seiner „Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen und Königlichen Dänischen Geheimen Cabinetsministers Johann Friedrich Struensee“, die sogleich auch auf Dänisch erschien, den von dessen Gegnern dringend erwünschten Beweis, dass der Aufklärer und Atheist Struensee zum Christentum zurückgekehrt und nicht als philosophischer Held und Märtyrer wie Sokrates oder Thomas Morus gestorben sei.
Das Buch wurde ein Bestseller und in viele europäische Sprachen übersetzt. Es hat sehr weitgehend das Bild der Nachwelt von Struensee bestimmt. Die wirklich großen zeitgenössischen Denker in Deutschland wie Johann Wolfgang Goethe (1749-1832), Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) und auch Matthias Claudius (1740-1815) zweifelten schon gleich die Echtheit dieser Bekehrung an. In den neueren Biografien wird darauf hingewiesen, dass es außer Münter keine Zeugen für die von ihm referierten Gespräche gibt und dass die zitierten schriftlichen Bekundungen Struensees über seine Bekehrung und sein Schuldbewusstsein nur durch Münters Buch bekannt sind. Es sind also keine in Struensees Handschrift verfassten schriftlichen Quellen überliefert, die Münters Aussagen stützen würden. Es wird auch darauf hingewiesen, dass Struensees angeblich eigenhändige Schilderung seiner Bekehrung auf den letzten 31 Seiten der Bekehrungsgeschichte in ihrem erbaulichen, pathetischen und schamerfüllten Stil in keiner Weise dem Stil der von Struensee eigenhändig verfassten Verteidigungsschrift entspricht, die er etwa gleichzeitig der gegen ihn eingesetzten Untersuchungskommission eingereicht hat. In dieser als Quelle vorliegenden Schrift verteidigt er sich ruhig, selbstbewusst und sachlich auf gleicher Argumentationsebene mit seinen Inquisitoren. Das stärkste Indiz dafür, dass der Text mit dem Bekenntnis zu seiner Bekehrung nicht von Struensee selbst stammen kann, ist die Tatsache, dass er dort die Theorie vertritt, dass Krankheiten durch schlechte Luft entstehen, die aus der Erde aufsteigt, während für den jungen Arzt Struensee in Altona eine seiner wichtigsten neuen medizinischen Einsichten die ist, dass Krankheiten von Person zu Person ansteckend sind und dass er die ihm hier zugeschriebene Auffassung entschieden bekämpfte.

Auch der Schulleiter der Sankt-Petri-Schule Peter Nikolai Svensen (1722-1804) gehörte in einer Nebenrolle zu den Mitarbeitern der struenseeschen Administration. Als ausgebildeter Buchhalter mit beruflicher Erfahrung aus den großen Handelsstädten Hamburg, Lübeck und Amsterdam und Mitglied der weithin bekannten Hamburger „Sozietät der Kunstrechner“ hatte Svensen sich schon 1769 mit einer Denkschrift für König Christian VII. an der Entwicklung einer mathematischen Konzeption für eine dänische Zahlenlotterie beteiligt. Mit einer solchen Zahlenlotterie lockten nämlich damals die Hamburger ihre Altonaer Nachbarn über die Grenze, so dass viel Geld aus dem Wirtschaftskreislauf des dänischen Gesamtstaates nach Hamburg abfloss. Als Struensee nach längerem Zögern und eigentlich gegen sein aufgeklärtes Gewissen sich 1771 doch entschloss, zunächst in Altona und dann in Kopenhagen auch eine solche Zahlenlotterie einzurichten, wurde Svensen zu ihrem Inspektor und Revisionschef ernannt.

Die letzte Persönlichkeit aus dem Umkreis von Sankt Petri, die im Zusammenhang mit der Struenseegeschichte noch genannt werden muss, ruht mit seinen beiden Frauen in den Grabkammern 1 und 2. Es ist der dänische Finanzminister, Außenminister und Kgl. Patron der Sankt-Petri-Gemeinde von 1800 bis 1831 Heinrich Ernst Schimmelmann (1747-1831). Ernst Schimmelmann war ähnlich wie Struensee geprägt von den Idealen der Aufklärung. Bis zu dessen Sturz trat er jedoch politisch nicht hervor. Er muss aber zusammen mit Gleichgesinnten von der Reformpolitik der Struensee-Zeit stark beeindruckt gewesen sein, denn die Restauration der alten Ordnung unter dem neuen Regime hatte so viel Unzufriedenheit bei ihnen ausgelöst, dass sie mit Hilfe eines englischen Mittelsmannes zu König Georg III. dabei waren, einen Plan für eine Rückkehr der Königin Caroline Mathilde von Celle auf den dänischen Thron und für eine neue Politik zu entwickeln, als die Königin 1775 in Celle ganz plötzlich starb.

Im Grabkeller unter den Schimmelmannschen Särgen befindet sich ein Kindersarg mit einer Sammlung von Menschenknochen, die man an der Stelle auf Vesterbro gefunden hat, an der sich der Galgenberg befunden hat, auf dem die Leichenteile von Struensee und Brandt und anderen Hingerichteten auf hohen Pfählen aufs Rad geflochten gelegen hatten, bis sie heruntergefallen waren. Diejenigen, die am Anfang des 20. Jahrhunderts diese Knochen aufgesammelt haben, weil auf dem Grund gebaut werden sollte, konnten sich am besten an diese beiden Delinquenten und an ihre deutsche Herkunft erinnern. 1920 wurden sie in dem Kindersarg mit den Buchstaben S und B an die Grabkapellen der deutschen Sankt-Petri-Kirche übergeben. Es ist jedoch keineswegs sicher, dass auch nur ein Knochenteil davon von Struensee stammt, wenn dies auch nicht ausgeschlossen werden kann. Dagegen ist es eher wahrscheinlich, dass sich in dem  Grabkeller unter der Grabkammer der Familie Plessen zwischen den Särgen der Familie von Brandt noch Knochen von Struensees Freund Enevold Brandt befinden. In seinem großen Werk über Sankt Petri von 1925 erwähnt Louis Bobé, dass in diesem Grabkeller „vor Jahren“ ein kleinerer Sarg gefunden worden sei, „dessen Inhalt die Überlieferung zu bestätigen scheint, dass seine Angehörigen nächtlicher Weile die Überreste seines Leichnams von der Richtstätte weg in die Erbgruft seiner Familie gerettet haben sollen“(S. 45). Enevold Brandts älterer Bruder Christian von Brandt (1735-1805) war ein angesehenes Mitglied in der dänischen Regierungshierarchie, der später bis zum Kanzleipräsidenten und Staatsminister aufstieg. Diese „Rettung“ der Überreste von Enevold Brandt dürfte in viel größerer Nähe zum Zeitpunkt der Hinrichtung stattgefunden und ein besseres Ergebnis erbracht haben als die Sammlung von zufällig zusammengewürfelten Knochen fast hundertdreißig Jahre später.

Dr. Johannes Jensen

Literatur:

Asser Amdisen, Til nytte og fornøjelse – Johann Friedrich Struensee 1737-1772. København 2002.
Louis Bobè, Die Deutsche St. Petri Gemeinde zu Kopenhagen – Ihre Kirche, Schulen und Stiftungen 1575-1925. Kopenhagen 1925.
Dansk Biografisk Leksikon.
Stefan Winkle, Johann Friedrich Struensee, Arzt, Aufklärer und Staatsmann – Beitrag zur Kultur-, Medizin- und Seuchengeschichte der Aufklärungszeit. Stuttgart 1983.
Jens Glebe-Møller, Struensees vej til skafottet. Fornuft og åbenbaring i Oplysningstiden. København 2007.
Emil Schobel, Die pädagogischen Bestrebungen von Friedrich Gabriel Resewitz. Ein Beitrag zur Geschichte der Pädagogik des 18. Jahrhunderts. 1912.
Jürgen Beyer und Johannes Jensen (Hrsg.). Sankt Petri Kopenhagen 1575-2000. 425 Jahre Geschichte deutsch-dänischer Begegnung in Biographien mit einem Beitrag von Hans Munk Hansen zur Restaurierung. Kopenhagen 2000